Glücklicher Abschluß der ersten Hilfsaktion für Opfer der Mikrokreditinstitute 2012 in Indien
„Die erste Sammel- und Hilfaktion organisierte ich, ausgelöst durch eine Sendung des Weltspiegel in der ARD vom 30.01.2011 über die Opfer der Mikrokreditindustrie in Indien/ Andhra Pradesh. Der folgende Bericht ging an die Menschen, die hierfür gespendet hatten.“ M.R.
Liebe Freunde, wir haben gemeinsam etwas Großartiges geschafft!!!
Die Hilfsaktion in Indien – Andhra Pradesh – stand unter einem guten Stern. Noch bis Mitte Januar gingen Spendengelder auf mein Konto ein. Ich konnte alles berücksichtigen, und so brachten wir inklusive meines Anteils 4.435,-€ zusammen!!!Viel, viel mehr als ich je erwartet hatte. Die Resonanz von Euch war großartig, es gab viele mutmachende Mails und echte Anteilnahme.
Ende Dezember ging mein Flug nach Indien. Im Januar wartete ich auf mails des ARD-Korrespondenten, suchte nach Begleitung für die bevorstehende Reise, verglich Umtauschkurse und beriet mich mit kundigen Indern über die ganze Thematik.Am 31. Januar reiste ich dann letztendlich allein mit einem Koffer voller Geld nach Warangal. ARD-India hatte mir den Kontakt zu einem Professor – Herrn K.Venkatanarayana, Department of Economics der Kakatiya University in Warangal – vermittelt. Er lebt vorort mit seiner Frau und hatte bereits internationale Filmteams und Jornalisten mit Betroffenen zusammen gebracht. Er und seine Frau empfingen mich mit offenen Armen und der in Indien üblichen Gastfreundschaft. Ihr Angebot in ihrem Haus zu wohnen, nahm ich gerne an.
Nach der langen Reise und einer kurzen Verschnaufpause gingen wir gleich ans Werk. Die Veröffentlichungen und Zeitungsartikel über ihn zeigten mir, dass ich an den richtigen Mann geraten war. Er setzt sich seit Jahren für die Rechte der Armen ein, kämpft gegen Korruption und für die Opfer von Microfinancing-Unternehmen. Gerade engagiert er sich für das Thema der Kinderarbeit.
Im Nu hatten wir eine super Vertrauensbasis. Nachdem ich ihm mein Vorhaben erklärte, konnte er mich davon überzeugen, dass eine Ablösung der Kredite nicht mehr nötig sei. In der vorangegangenen Zeit war das Thema ‘Microfinancing‘ zu einem echten Politikum geworden. Zig Fernsehteams aus der ganzen Welt waren vorort gewesen und man hatte politisch erreicht, per Gesetz!, daß die MFI-Unternehmen keinerlei Druck mehr auf die Menschen ausüben dürfen. Es gibt keine Geldeintreiber mehr, keine Mahnungen, gar nichts. Das bedeutet, ihnen blieb nichts anderes übrig als das Geld abzuschreiben.
Bei unserer Projektidee war genau dies das sogenannte ‘Haar in der Suppe‘, dass wir den kriminellen Kreditinstituten auch noch Geld in den Rachen werfen… Es war mir klar und auch der Kritikpunkt einiger Spender.
Ich war überzeugt, das Geld nun den Betroffenen direkt zukommen zu lassen. Die Fakultät economy der Kakatiya Universität hatte bereits super Vorarbeit geleistet. Es gab Listen mit den betroffenen Familien, den näheren Umständen, Kontaktdaten etc.Wir suchten 8 Familien aus, in denen Kinder zurückgeblieben waren und sich Selbstmorde ereignet hatten.Wir besuchten diese Familien in den Dörfern, empfingen sie z.T. im Hause des Professors. Wir waren von früh morgens bis spät abends nonstop unterwegs.
Zwischendrin wurde ich dem Direktor der Universtät und einer Anzahl Professoren vorgestellt und mit einer Ehren-Schale und einem Umhang ausgezeichnet. Obendrein sollte/mußte/durfte ich einen Vortrag vor den Studenten der Fakultät economy halten.
Das Geld und der Plan
Professor Venkatanarayana hatte folgenden Plan entwickelt, den wir dann genauso ausführten: Ich wurde Kontoinhaberin (was in Indien unter normalen Umständen für einen Ausländer gar nicht mal so einfach ist) bei einer seriösen Bank – der DENA BANK in Warangal. Der Geldbetrag in Höhe von 264.850 rupies wurde auf dieses Konto eingezahlt.Wir hatten es zuvor gemeinsam mit dem Bank-Manager gezählt.
Diese Summe wurde für 5 Jahre festgelegt. Die 8 ausgewählten Familien erhielten jeweils einen Scheck über 33.099,-rps. Sie bekamen zudem jeweils eine Summe von 2.000,- und 2.500,- rps in bar und werden künftig halbjährlich die Zinsen in Höhe von 1.500,- rps erhalten. Nach 5 Jahren können sie dann frei über ihr Geld verfügen. Die Übergabe erfolgte in einem feierlichen Festakt, hierzu später mehr, in der Universität einen Tag vor meiner Abreise.
Die Familien und ihre Schicksale
Die Begegnungen mit den Betroffenen werde ich niemals vergessen. Ich habe ganz ähnliche Menschen schon in anderen Teilen Indiens kennengelernt. Arm, ganz einfach, pur, geradlinig, sie haben nichts, sie arbeiten den ganzen Tag für ein paar rupies und haben sich einen Kredit aufschwatzen lassen. Ihr Pflichtbewußtsein und ihre Verzweiflung den Kredit nicht zurückzahlen zu können, trieb sie in den Tod
Die beiden Familien über die im Weltspiegel berichtet wurde, waren einer der ersten, die wir dann auch besuchten. Die beiden Söhne von Rajitha wirkten sehr verstört und traurig. Sie selbst habe ich nicht gesehen. Sie war in einer größeren Stadt am arbeiten. Ihr Vater und Bruder sorgten für die beiden Jungen.
In zwei Familien hatten sich gleich beide Elternteile das Leben genommen. Nun waren die Großmütter ganz allein für die Kinder da. In einem Fall fühlte sich die Großmutter (Foto unten) der Aufgabe nicht gewachsen.Vor ein paar Monaten war auch noch ihr Mann gestorben. Der eine Enkelsohn lebt nun bei der Tante, sein jüngerer Bruder ist in einer ganz anderen Stadt in einem Waisenhaus. Die Mutter hatte sich mit Cherosin übergossen, der Vater hatte die Schreie gehört, wollte das Feuer löschen und verbrannte ebenfalls.
Ich habe übrigens nur Fotos gemacht, wenn die Situation dies erlaubte. Manchmal wurde ich direkt gefragt, ob ich nicht ein Foto machen könne.
In dieser Situation war fast das halbe Dorf um uns versammelt. Wir fanden keine Worte, wir schauten uns einfach nur an…
Die andere Großmutter war, begleitet vom Bürgermeister des Dorfes, mit den beiden kleinen Enkelkindern in Schuluniform gekommen. (Foto unten) Ihr Sohn war Harmoniumspieler gewesen. Es gab immer wieder Streit zwischen den Eheleuten wegen des Kredits und des Geldes. Eines Tages wurde die Mutter tot auf einem Acker gefunden. Sie hatte Pestizide getrunken. Am nächsten Tag fand man den Vater auf einem anderen Acker, er hatte sich in gleicher Weise das Leben genommen. Diese Großmutter war für das Geld so sehr dankbar; man übersetzte mir, sie wolle mir gerne eines ihrer kleinen Lämmer schenken…
Die Schicksale der Familien waren alle ähnlich, die Angehörigen hatten sich ertränkt, Chemikalien getrunken, aufgehängt oder mit Cherosin übergossen und angezündet. Hindus, Moslems, Christen… die Religionszugehörigkeiten waren so gemischt wie in der indischen Bevölkerung.
Der Vater der Witwe, auf dem Foto links, antwortete auf meine Frage, wie man ihnen am besten helfen könne‚ er hätte so gerne eine Kuh, dann hätte er jeden Tag wenigstens ein kleines Einkommen.
Dann gab es die moslemische Familie. Die Mutter/Witwe war tief verschleiert, als ich sie zum erstenmal sah, sah man nur ihre Augen. Ihr Mann hatte aus Verzweiflung Chemikalien getrunken…
…zu dem Zeitpunkt waren umgerechnet nur noch 82,-€ offen. Sie zeigte mir das Kreditheftchen.
Sie und ihre Mutter waren sehr, sehr dankbar. Man sah ihnen ihre Erleichterung an. (Foto unten)
Die Scheckübergabe
Für den Tag vor meiner Abreise war die große Scheckübergabe anberaumt. Dies sollte in den Räumen der Universität im Rahmen eines Festaktes stattfinden.Wer Indien kennt, weiß daß Inder wahre Zeremonienmeister sind. Sämtliche Familien und Vertreterinnen der unabhängigen women self- helpinggroups, Presse, Studentenvertreter u.a. waren eingeladen…
Mehr und mehr Frauen schließen sich in Andhra Pradesh in womenselfhelpinggroups zusammen. Diese Frauen waren geladene Gäste zur Scheckübergabe. Zwei von ihnen hielten eine eindrückliche Rede.
…Nach einem gemeinsamen Mittagessen gingen wir alle im Gänsemarsch zum Hauptgebäude -mit Sicherheitspersonal vor dem Eingang zur soge- nannten Senats Hall. Einige der Gäste waren barfuß, mein Eindruck war – nie hatte jemand von ihnen zuvor so einen Raum betreten. Auch ich war verblüfft, hatte gar nicht mit so einem feierlichen Rahmen gerechnet. An der Rückwand hinter dem Podium prankte ein großes Banner. Ich war geplättet. In großen roten Lettern war zu lesen:
Financial Aid to the Victimised Families of MFIs
sponsored by
Monika Rateriny
Social Activist, Germany<
Ok, social activist war ich bisher noch nie gewesen, aber ich fühlte mich richtig gut in meiner neuen Rolle. Die eintretenden Gäste sahen sich ratlos um. Einige hätten sich am liebsten versteckt. Doch es war ein tribünenartiges Auditorium und kein Entrinnen. Jeder Sitzplatz schien etwas Gehobenes, Bedeutsames zu vermitteln, so schlug spürbar mit Hilfe der eingespielten musikalischen Untermalung die anfängliche Ängstlichkeit in wohlige Erwartung um.
Ich nahm auf dem Podium Platz neben dem Direktor der Universität und einer Riege von Professoren. Es folgte eine Reihe nicht enden-wollender Ansprachen in der Landessprache ‚Telugu‘. Immer wieder hörte ich meinen Namen und Germany… und dann war ich dran mit meiner Ansprache. Ich machte den Menschen Mut; sagte, dass sie nicht allein seien und die Welt auf sie schaut und man in Deutschland sehr wohl um ihre Probleme wisse. Auch sagte ich, dass das Geld von ungefähr 80 Menschen in Deutschland gemeinsam gespendet wurde. Dass wir alle Brüder und Schwestern sind und dass wir Eins sind und sie ihr Vertrauen in die Zukunft nicht verlieren sollen!
Mit eingespielter Musik begann dann die Übergabe der Schecks und der Kuverts mit Bargeld, es gab außerdem einen Ball für die Kinder, Apfelsinen und Kulis.
Jedes Kind wurde nach vorne gerufen. Die Schecks schienen ihnen relativ unbedeutend im Gegensatz zu dem Ball. An jeder Straßenecke spielen in Indien die Kinder Kricket. Hierfür hatte ein Freund aus Berlin mir Tennisbälle mitgegeben. Zum Glück! Einen Ball zu bekommen, war das Ereignis für die Kinder und der erste und seltene Moment indem sich ihre traurigen Gesichter aufhellten und vor Freude strahlten.
Auf dem Foto untere Reihe: Kinder mit den Schecks, in den lokalen Zeitungen und den überregional erscheinenden Hindu News gab es am nächsten Tag einen Bericht.